Tungendorf Archiv - Tungendorfer Geschichten - Kindheit und Jugend
Alle Fotos: Carl Cords
Ärger mit unserem Nachbarn
Von Hartmut Cords
Spielende Kinder machen oftmals sehr viel Lärm. Erwachsene mögen das gar nicht und möchten lieber ihre Ruhe haben. Das ist heute so und war auch schon früher so, als wir jung waren. Ein beliebter Spielplatz für uns war die Auffahrt zu dem Werksgelände und dem Wohnhaus des Kohlenhändlers Hans Krohn. Die Auffahrt war mindestens 50 Meter lang und breit genug für Lastkraftwagen. Links entlang dieser Einfahrt erstreckte sich das Grundstück der Familie Röhe. Wir hatten keine Probleme, weder mit Krohn noch mit Röhe, wenn wir auf der Auffahrt Fußball oder Handball oder irgendetwas sonst spielten. Die Söhne waren unsere Spielkameraden. Der Anrainer rechts entlang der Auffahrt war für uns allerdings immer ein Problem. Er hasste uns, wenn wir dort spielten, und er versuchte uns zu vertreiben.
Während eines Handballspiels hatten wir das Pech, daß uns der Ball entglitt und in den hinteren Teil des Gartens dieses Nachbarn fiel. Der Nachbar hatte uns wohl schon beobachtet und kam schnellstens den Garten entlanggelaufen. Er nahm den Ball, klemmte sich ihn unter den Arm und verschwand damit im Haus. Der Ball war weg, und wir waren in höchstem Maße verärgert. Wir haben überlegt, wie wir unseren Ärger mit ihm teilen konnten. Als Ersatz für den Ball nahmen wir einen Stein und spielten damit weiterhin Handball. Das Spielen mit dem Stein war unhandlich, aber es machte genauso viel Lärm wie mit dem richtigen Ball. Nach einer Weile Handball mit dem Ersatzball lief alles unserer Vorstellung gemäß planmäßig ab. Der Stein fiel wie versehentlich hinter den Zaun in Nachbars Garten. Der Nachbar kam in höchster Eile gelaufen und fand den Stein. Jetzt gab es eine Beschimpfung, die kein Ende haben wollte. Es wurde alles beschimpft und bepöbelt, was ihm gerade so einfiel. Er war außer sich.
Mein Vater bekam auch seinen Teil ab. Mein Vater als Elektromeister hatte einen Auftrag von der Familie Röhe angenommen, auf deren Hof eine elektrische Anlage zu installieren oder zu reparieren. Er hatte während der ganzen Zeit deutlich sichtbar mit der Leiter an der Hauswand gestanden und hatte sich seiner Arbeit gewidmet. Er war während des Geschehens völlig unbeteiligt gewesen. Das schützte ihn aber jetzt nicht davor, Teil der Rundum-Beschimpfungen zu sein. Mein Vater hat wohl beide Ohren auf Durchzug eingestellt und schien weiterhin sonst völlig unbeteiligt seiner Arbeit nachzugehen. Allerdings ein Spielkamerad hat mir erzählt, er hätte gesehen, wie mein Vater geschmunzelt hatte, als wir den Coup mit dem künstlichen Ball durchgezogen hatten.
Mir fällt noch etwas ein, was ich auch gerne erwähnen möchte. Damals hatten wir im Frühjahr Zeiten, da gab es Maikäfer und zwar nicht vereinzelt, sondern in großer Zahl. Links entlang der beschriebenen Auffahrt standen ein paar kleine Birken. Wenn man während der Maikäferzeit den Birkenstämmen ein Fußtritt versah, dann konnte es sein, daß es aus der Baumkrone Maikäfer regnete. Es gab wohl unter den Maikäfern spezielle Exemplare. Einige Kinder kannten sich damit gut aus, sammelten diese Besonderheiten und nahmen sie zum Umtausch in Streichholzschachteln mit in die Schule. Ich wollte das nur erwähnen, weil es heutzutage offenbar Maikäfer gar nicht mehr gibt.